25. April 2024 / Nr. 6
Mit Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die deutsche Bundesregierung antikurdischen Rassismus nicht die nötige Aufmerksamkeit widmet. Dies wird deutlich durch eine parlamentarische Anfrage der Gruppe „Die Linke“ im Bundestag, welche offenlegt, dass die Bundesregierung keine spezifischen Daten zu antikurdischem Rassismus erfasst. Angesichts der brutalen Angriffe auf Kurd*innen in den vergangenen Monaten ist es erschreckend zu sehen, dass die Regierung ihrer Verantwortung gegenüber der kurdischen Gesellschaft in Deutschland nicht gerecht wird und kurdische Lebensrealitäten unberücksichtigt bleiben.
In ihren Antworten weist die Bundesregierung darauf hin, dass eine besondere Bedrohung für kurdische Menschen von Anhänger*innen der türkischen ultranationalistischen Graue Wölfe-/Ülkücü-Bewegung ausgehen. Nichtsdestotrotz werden Angriffe auf kurdische Vereine, Veranstaltungen, Versammlungsstätten und Kundgebungen allgemein unter „Hasskriminalität“ im Themenfeld „sonstige ethnische Zugehörigkeit“ subsumiert, sodass anschließend keine Differenzierung mehr möglich ist und keine gesonderten Zahlen zu Angriffen auf kurdische Institutionen und Versammlungen festgehalten werden können. Weiter heißt es, dass nach Einschätzung des Bundeskriminalamts „keine kontinuierliche Zunahme von Angriffen auf kurdische Vereine, Veranstaltungen, Versammlungsstätten und Kundgebungen/Demonstrationen ab 2009 vorliegen“ dürfte. Auf welchen Kenntnissen diese Einschätzung beruht, geht aus der Antwort nicht hervor. So wird jedoch eingeräumt, dass anlassbezogen vermehrt Angriffe gegen kurdische Menschen auftreten können. Fallzahlen zu Übergriffen gegen kurdische Menschen sind der Bundesregierung grundsätzlich nicht bekannt, sodass es auch keine Zahlen zu antikurdischem Rassismus in Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen gibt. Eine Studie zur Verbreitung von antikurdischem Rassismus plant die Bundesregierung in Zukunft nicht.
Die Bundesregierung scheint die Gefahr, die von türkischen Ultranationalisten für Kurd*innen ausgeht, zwar wahrzunehmen und weist auf verschiedene Initiativen zur Rassismus-Prävention und Betroffenenunterstützung hin. Dennoch wird deutlich, dass ein Mangel an Wissen über die Fallzahlen zu antikurdischem Rassismus, die Dynamik von antikurdischem Rassismus und die Täter besteht. Antikurdischer Rassismus wird von mehr Menschen reproduziert als von einer spezifischen Tätergruppe, und nicht alle Schutzräume für von Rassismus Betroffene sind zwangsläufig auch Schutzräume für kurdische Menschen.
Daher ist es wichtig, gesonderte Daten zu Fällen von antikurdischem Rassismus zu erheben, um ihr wirksam entgegenzutreten. Ohne ausreichende Kenntnisse über die Fallzahlen, die Betroffenen und die Gewaltformen bleibt es unmöglich, Lösungen für dieses Problem zu finden. Antikurdischer Rassismus ist eine Realität, deshalb haben wir uns gegründet und wollen alle Betroffenen von antikurdischem Rassismus ermutigen, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Wir rufen die Bundesregierung dazu auf, sich dem Thema ernsthaft zu widmen und ihrer Pflicht zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung auch in diesem Rahmen gerecht zu werden.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Veröffentlichung
Vorstand der Informationsstelle Antikurdischer Rassismus – IAKR